Warum bist du hier an der Uni? Nein, nicht speziell an der Bremer Uni – warum bist du überhaupt an einer Uni? Vielleicht hattest du in der Schule besonders gute Noten und deine Lehrkräfte haben dir erzählt, dass aus dir mal jemand ganz wichtiges werden kann? Vielleicht war das Fach, das du jetzt studierst, schon immer deine große Leidenschaft? Vielleicht war das für dich gar keine Frage, weil es in deiner Familie sowieso üblich ist, dass nach der Schule erst mal studiert wird. Aber vielleicht ist es bei dir auch ganz umgekehrt, du willst es endlich einmal besser haben als deine Eltern, die nicht studiert haben. In jedem Fall ist klar: Um in deinem weiteren Leben einmal überhaupt die Chance zu haben auf einen der besseren Jobs, die etwas mehr Geld für etwas weniger Aufwand einbringen und bei denen der Aufwand vielleicht sogar inhaltlich interessant ist, musst du studiert haben. Und hast du dein Studium einmal abgeschlossen, geht die Konkurrenz darum, wer dann tatsächlich einen dieser besseren Jobs bekommt und bei wem der Soziologie-Doktor allenfalls zum Taxifahren reicht, erst richtig los.
Dass du in der Uni versuchst, deine Chancen in dieser Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt aufzubessern, heißt aber auch noch nicht, dass dir die Uni deswegen dabei hilft. Um überhaupt zugelassen zu werden, musst du in einigen Fächern einen Numerus Clausus erfüllt haben; in anderen Studiengängen gibt es dafür die berühmt-berüchtigten Module zum Aussieben der Studis, in denen zum Teil Durchfallquoten von an die 80% gelten. Und das sind nur die großen Klausuren. So wird auch hier das im staatlichen Bildungssystem so beliebte System praktiziert: Wer zu bestimmten Stichtagen, an denen die Prüfungsleistungen erbracht werden müssen, häufiger nicht in der Lage war, das nötige Wissen zu Papier zu bringen oder die nötige Arbeit fertigzustellen, der wird vom weiteren Lernen (jedenfalls in diesem Studiengang) ausgeschlossen. Es gilt die Paradoxie, dass ausgerechnet bei Unwissen der Zugang zu Wissen versperrt wird.
Wir als KRALLE setzen uns einerseits dafür an, an der Uni bessere Bedingungen für Studis zu schaffen, weshalb wir in der Vergangenheit an der Durchsetzung des vierten Wiederholungssemesters wesentlich miterstritten haben. Zugleich wollen wir aber auch den Blick über den Tellerrand wagen und in der Uni verbreiten. Hochschulpolitik ist für uns auch die Auseinandersetzung mit dem staatlich eingerichteten Bildungssystem und mit der Gesellschaft, für die es eingerichtet wurde.